001_VALENTE
01 Jan

Der Ring der Erleuchtung

Michael Schu­mach­er und der Salzbur­gring wer­den 50. Ein gemein­sames Woch­enende im August 1988 wird die bei­den Insti­tu­tio­nen auf ewig miteinan­der verbinden. Erin­nerun­gen an ein Ren­nen, das den Lauf des Motor­sports für immer veränderte.

Der 27. August 1988 ist in der Kar­riere des Michael Schu­mach­er der Tag, der sein Leben in ein Davor und ein Danach teilt. Ein Danach, das bis zum katas­trophalen 29. Dezem­ber 2013 dauern wird, bis ein irre­al unauf­fäl­lig wirk­ender Sturz beim Ski­fahren in Megeve die Wichtigkeit­en in seinem Leben drama­tisch und für immer verän­dert. Und so wird er auch seinen 50. Geburt­stag am 3. Jän­ner 2019 abgeschot­tet vom Rest der Welt verbringen. 

Aber dieser Rest der Welt, in dem er Mil­lio­nen von Fans hat, wird sich Geschicht­en, Leg­en­den vom Micha“ erzählen, den Außen­ste­hende Schu­mi“ nen­nen. Leg­en­den, von denen es die meis­ten ohne die Ereignisse dieses 27. August nicht gegeben hätte. Als Blitz und Don­ner im Salzburg­er Non­ntal von der Ankun­ft eines neuen Regen­gottes kün­de­ten – so wie man Schu­mach­er später nen­nen sollte. 

Der Salzbur­gring gilt seit jeher als Mut­strecke. Eine, die Hero und Zero strikt voneinan­der trennt. 

Es ist ein Ren­nen der Formel Ford an einem Woch­enende der DTM, Sam­stag. Exakt 13 Tage davor ist Enzo Fer­rari gestor­ben. Doch nun ist der Moment, in dem der Ren­n­fahrer ent­deckt wird, der Fer­raris Rennstall zu neuen Reko­r­den führen wird. 

Willi Weber wird auf Michael Schu­mach­er aufmerk­sam. Oft, sehr oft, denkt Weber an diese halbe Stunde zurück. Michael war als Sieben­ter ges­tartet, es schüt­tete aus Strö­men. Nach ein­er Runde war er Erster.“ Was kein Zufall ist. Weber beobachtet im Freien das Ren­nen, das Nass verklebt seine Jacke mit dem wuchti­gen Kör­p­er, doch sein Instinkt und sein Geist hin­dern Weber daran, zurück ins Trock­ene zu gehen. Zu sehr faszinierte ihn dieser Pilot mit der Num­mer 52 im weißen Ren­nwa­gen. Alle kamen irgend­wie daher im Regen – aber er traf jede Runde die Kur­ven­lin­ie auf den Mil­lime­ter genau gle­ich. Zehn Mal hin­tere­inan­der. Diese Kon­trolle über ein Fahrzeug bei so unfahrbaren Bedin­gun­gen – so etwas hat­te ich nie zuvor gese­hen.“ Erken­nt­nis: Das war ein­er, der das Auto beherrschte, wo nicht das Auto im Regen den Piloten dominierte.“

Schumi-Weber

Für Weber, der es als Gas­tronom zu 20 Lokalen, zu Reich­tum und zu einem Formel-3-Team gebracht hat­te, ist es die alles entschei­dende Erken­nt­nis seines Lebens. Zwar hat er eben mit Jock­el Winkel­hoch die Formel-3-Meis­ter­schaft gewon­nen, aber die Ent­deck­ung dieses 19-Jähri­gen aus Ker­pen wird ihn auf die ganz große Bühne hieven. Der Salzbur­gring war der entschei­dende Moment für alles“, sagt Weber. Nach dem Ren­nen sieht er ihn das erste Mal ohne Helm: Um ehrlich zu sein, hat­te ich ihn mir anders vorgestellt.“

Nicht so schüchtern, so bodenständig. 

Auch wenn er Michael danach an zwei weit­eren Ren­nwoch­enen­den beobachtet, ehe er ihn zu einem Test lädt. Einem Test, bei dem er einen Stammpi­loten des Teams nach weni­gen Minuten um 1,5 Sekun­den dis­tanziert – ohne je davor in einem so stak­en Auto gesessen zu sein. 

Der Rest ist Geschichte: Weber wird sein Man­ag­er, sein Mis­ter 20 Prozent“, der bis hinein in die Mer­cedes-Formel-1-Ära ein Fün­f­tel von Schu­mach­ers Gagen kassiert – als Lohn für das Invest­ment, als Erster an Michael geglaubt zu haben. Er bringt ihn auch im Mer­cedes-Junior-Team unter, neben Karl Wendlinger, der in 1989 in der Formel 3 noch besiegt. 

Span­nend ist, wer ein­er der Ersten war, die Weber in sein­er guten Mei­n­ung über Schu­mach­er bestätigten: Domin­gos Piedade, der Man­ag­er von Ayr­ton Sen­na, dessen bei­de Söhne gegen Michael Kart gefahren waren. Er sagt: Von den Deutschen ist das sich­er der Beste.“

Um zu ver­ste­hen, wie wichtig Weber für Schu­mach­er war, muss man sich noch ein­mal in jene Zeit ver­set­zen. Wenige Monate vor dem Ren­nen am Salzbur­gring wollte Schu­mach­er in einem Topteam einen Formel Ford testen – und er durfte es nicht, weil ihm 500 Mark dafür fehlten. Dann schaffte er es zwar zum Formel-Ford-Fes­ti­val nach Brands Hatch, aber nur zum Spartarif.

Training
1990 wurde Schumi,
Schon im dritten Formel-1-Rennen

Der Ost­tirol­er Wal­ter Per­fler weiß, wo Gott wohnt. Klar, er ist Kirch­turm-Dachdeck­er. Er weiß aber auch, wie der Regen­gott einst wohnte. Denn Per­fler war 1988 als junger Ren­n­fahrer eben­falls in der Formel Ford unter­wegs und mit Michael Schu­mach­er in Eng­land. Michael war sauschnell, aber er hat­te kein Geld. Meist schlief er im Sitzen im Führerhaus des Team-Lkw.“ Schon davor im Kart war Michael öfters als Müll­mann“ von den anderen Kindern verspot­tet wor­den – sah man ihn doch gemein­sam immer wieder mit seinem Vater nach alten und ver­schlis­se­nen Reifen suchen. Reifen, mit denen Michael dann doch den anderen um die Ohren fuhr.
Doch die Armut ist vor­bei, als Weber nach dem Erleb­nis vom Salzbur­gring eine Mil­lion Mark für zwei Jahre Formel 3 bere­it­stellt: Dem Micha kon­ntest du jedes Auto hin­stellen, er war sofort schnell. Und zwar immer. Da waren keine Zufalls-Run­den dabei wie bei den anderen.“

Son­ntag wech­selte der Regen am Salzbur­gring in brü­tende, schwüle Hitze. Franz Klam­mer ist im ersten DTM-Ren­nen Sech­ster, danach sor­gen drei Startkol­li­sio­nen hin­tere­inan­der für einen Abbruch der Ver­anstal­tung. Aber all das rückt in den Hin­ter­grund, als die Kunde aus Ram­stein kommt. Dort sind bei ein­er Flugshow 70 Men­schen getötet wor­den und 1000 ver­let­zt. Eine der größten Katas­tro­phen in der Geschichte der BRD

Just in den Stun­den, als ein­er der größten Helden des bald vere­in­ten Deutsch­land zu seinem unver­gle­ich­lichen Höhen­flug anset­zt. Und zu ein­er Kar­riere, die die Formel 1 für immer prä­gen und verän­dern wird.

Autore­vue, 1/2019, Text: Ger­ald Enzinger, Pho­tos: Salzbur­gring und Get­ty Images