Electric Love am Salzburgring
Drei Jahrzehnte nach dem legendären Schumacher-Wochenende macht sich die Rennstrecke fit für die Zukunft: mit lauter Musik, Stromtankstellen an der Box — und Träumen von der großen DTM.
Der Mensch als Evolutions-Modell seiner Vorfahren: Opa Ernst hat als Landesarchäologe und Heimatforscher 1959 ein Fürstengrab entdeckt, der Vater als Techniker der FIM die Motorräder von Stars wie Barry Sheene oder Randy Mamola auf Punkt, Beistrich, Brennraum und Kolben überprüft.
Ernst Penninger aber, der bislang jüngste der Linie, ist mit 36 zur Essenz seiner Ahnen gereift. Als neuer Geschäftsführer des Salzburgrings kümmert er sich um eine der letzten naturbelassenen Rennstrecken Europas und um den Erhalt ihrer einzigartigen Charakteristik. Aber auch darum, dass sich die Gedanken rund um diese Rennstrecke nicht im Kreis drehen sondern sich auch in Richtung Zukunft bewegen. Eine Zukunft, an der man gerade baggert, im wahrsten Sinne des Wortes, und perfekt getimt zum runden Geburtstag 2019 — dem Fünfziger.
Wobei Modernisierer Penninger, Schützling und operativer Nachfolger des legendären Ring-Retters Alexander Reiner, auf den genetisch bedingten Bewahrer in sich hört: “Wir stehen dank der guten Arbeit in den letzten Jahrzehnten gut da — und sind in der Industrie gut gebucht, haben aber auch Sport im Angebot. Jetzt geht es darum, die Marke dieser Anlager in einer atemberaubenden Naturlandschaft zu festigen.”
Um gleich eines klarzustellen: “Genau diese natürlichen Gegebenheiten der Landschaft grenzen unser Wachstum ein. Aber das zu respektieren, steht für uns außer Frage.” Daher erteilt er Träumen wie jenen eines Comeback der Motorrad-WM auf dieser legendären Biker-Strecke eine klare Absage: “Das ist einfach völlig unrealistisch, daher brauchen wir uns damit nicht beschäftigen.”
Zumal er garantiert, “dass, so lange ich hier bin, es nie eine neue Schikane oder eine wesentliche Veränderung des Layouts. Wir sehen ja auch, wie populär Rennstrecken wie die Nordschleife oder Spa sind, die weitgehend in ihrem Grundverlauf belassen worden sind.”
Gelingt das Vorhaben wie angedacht, würde der DTM nichts mehr im Wege stehen — und das in einer Region, die perfekt gelegen ist für die Meisterschaft, in der die süddeutschen Hersteller BMW und Audi so stark sind. Und wo Tourenwagen-Rennen große Tradition haben, seit 1969 das erste Autorennen hier gefahren wurde — gewonnen übrigens von einem gewissen Karl Wendlinger senior.
Einen Rennsporttraum aber freilich könnte man schon bald realisieren: die DTM, die populärste Tourenwagenserie Europas, könnte schon 2020 ins Nonntal heimkehren. Gerhard Berger war hier neulich zu Besuch, er hat immer bekundet, dass er den Salzburgring als interessanten Auftrittsort seiner Tour sieht. Gerade mit einer DTM, die unter Berger für puren Motorsport steht.
Aber erst muss Penninger mit seinem Team handeln. Um Rennen der DTM austragen zu können, muss der Salzburgring sicherheitstechnisch von der FIA vom aktuellem “Grade 3” auf “Grade 2” hochgestuft werden. Dazu braucht es einige sanfter Veränderungen an der Strecke. Am heikelsten ist das beim unverwechselbaren Wahrzeichen der Rennbahn — der Fahrerlagerkurve. Sie ist zum einen unverzichtbar, zum anderen aber auch durch einen halben Berg auf der Außenseite de facto unverrückbar. Die Lösung glaubt der neue Geschäftsführer in Zandvoort gefunden zu haben. “Wir denken, dass ein steiles Kiesbett, das wie auf dem Dünenkurs überhöht ausläuft, einen sicheren Auslauf bieten könnte auf dem wenig vorhandenen Platz — ohne dass wir deshalb die Kurve selbst opfern müssen.”
Sehr gut möglich ist es aber auch, dass neben der puristischen DTM künftig auch der leise Rennsport ein Zuhause am Salzburgring findet. Denn als Ergänzung zum klassischem Rennsport, der von der DTM bis zum Histo-Cup reicht, und zu den zahlreichen Firmenevents und Megakonzerten wie dem Electric Love Festival (180.000 Fans!) positioniert sich der Salzburgring auch im Motorsport unter dem Motto “Electric Love”.
Als eine der ersten Rennstrecken der Welt wird man Trafostationen in der Box installieren (einen Hydrochargingpool mit sieben Stationen), damit elektrische Rennwagen in der Box geladen werden können. Damit entfällt das teure und umweltbelastende Aufladen mit benzinbetriebenen mobilen Aggregaten, wie es in der Formel‑E üblich ist.
Damit wäre der Ring etwa eine ideale Teststrecke für eben jene Formel‑E, aber auch ein logischer Ort für die für 2020 geplante elektrische Tourenwagen-Meisterschaft TCR‑E.
Tradition trifft Innovation — das ist das Motto des Salzburgrings unter Penninger. Eine Rennstrecke, die als eine der wenigen der Welt ohne öffentliche Förderung auskommt und immer noch dem Land Salzburg gehört, mit der klaren Vorgabe, dass “am Ende die Null stehen muss”.
Nachbar Red Bull ist — entgegen allen Gerüchten — nie als Investor eingestiegen, das Verhältnis aber freundlich, auch zum Red Bull Ring, den Penninger in keiner Weise als Konkurrenz sieht: “Österreich kann glücklich sein, eine Anlage wie Spielberg zu haben — das ist eine der besten Rennanlagen der Welt. Wir versuchen hier, unsere eigene Nische zu finden, wo es möglich ist, bestmöglich zu kooperieren.”
Denn: “Wir konzentrieren uns auf das, was wir gut können.” Und das ist einiges. Mit 50 ist der Salzburgring zwar schon ein Fall für Historiker und Heimatforscher, wie es Ernst Penninger der Erste war. Aber auch ein Forschungslabor für den Rennsport der Zukunft. Und der kann ja zwischendurch auch gerne so pur sein wie ein DTM-Bolide.
Autorevue, 1/2019, Text: Gerald Enzinger, Photos: Salzburgring und Getty Images